Samstag, 29. Mai 2010

Ai, Robot

Ai, Robot

Klaus Peter Buchheit

Ein monologischer Gewalt-Akt in 7 Szenen nach dem "Aias" des Sophokles.

Personen:

- Ai (Aias)

Imaginierte Personen:

- Aga, die Memme (Agamennon)

- Chill-Out (Achill)

- Enemene (Menelaos)

- High-Tek (Tekmessa)

- Ody (Odysseus)

- Teu (Teukros)

- Telquel (Telamon)

- Tinchen (Athene)

Denn ich will dorthin gehen, wohin man gehen muss;

ihr aber tut das, was ich sage, und vielleicht könnt ihr von mir

bald hören, wenn auch jetzt das Unglück bei mir ist, dass ich gerettet bin.

Sophokles, Aias, V. 690-692

Szene 1 - Angst I

Blaues Licht leuchtet die leere Bühne aus.

Ai betritt die Bühne. Er trägt eine Schweinsmaske.

In karikierten soldatischen Schritten stapft er über die Bühne, lacht hölzern und macht ungelenke Pantomime (Geburt, Liebe, Angst, Hass, Sex, Tod, Spiel). Seine Bewegungen sind mechanisch, roboterhaft, aber dennoch auch tänzerisch: eine dancing war-machine.

Dazu wird das Lied „I Robot“ von Alan Parsons Projekt eingespielt.

Sobald das Lied vorbei ist, geht Ai von der Bühne, kommt dann ohne Maske zurück, platziert sieben Plüschschweine, einen Kasten Bier, eine Schachtel Zigaretten und eine Zeitung in die Mitte der Bühne. Die Plüschschweine stellt er im Kreis um den Bierkasten auf. Ai öffnet ein Bier und zündet sich eine Zigarette an.

Ai läuft am Anfang der Szene sehr nervös umher, wird im Verlauf der Szene ruhiger, gelähmter, bis er gegen Ende der Szene in den katatonischen Stillstand einer heldenhaften Pose verfällt.

Während der Szene muss Ai immer dringender pinkeln, aber er versucht es zu halten, verschiebt es. Erst am Ende der Szene – er in völligem Stillstand – bricht er unter Schmerzen zusammen und sieht zu, dass er schleunigst auf allen Vieren von der Bühne kommt.

In unregelmäßigen Abständen greift er nach der Zeitung, um damit imaginäre Insekten zu verjagen oder tot zu schlagen.

Ai nimmt die Plüschschweine als Ansprechobjekte und sieht in ihnen jeweils die imaginierte Person.

Ai:

Nichts trifft es.

Nichts hat es je getroffen.

Stets daneben, stets vorbei,

stets wie nicht gewesen.

Und doch.

Immerzu gefangen. Immerzu nicht frei,

immerzu gekämpft,

permanent belagert, permanent umgeben,

permanent in der Deckung.

Ich rutschte,

stets, immerzu und permanent,

ich rutsche, rutsche,

rutsche

einen Abhang hinab

je mehr ich hinauf wollte

oben hin wollte

u. griff

stets, immerzu und permanent,

ich greife, greife,

greife

nach euch,

nach dem Leben,

nach mir

nach irgendetwas

wenigstens irgendwas

ein bisschen was

doch ich griff es nicht

ich greife es nicht

ich begreife es nicht

ich begreife das nicht.

Noch jetzt,

hier,

in dieser Vorhölle,

in dem Gewölbe der Leichen und Halbtoten,

der Zombies und Widergänger,

in dieser Fabrik der Übriggebliebenen,

derer, die nicht weg können, die nur

umgeschichtet werden können,

von hier nach da,

von unten nach oben,

von oben nach unten,

von einem Eck ins andere

u. immer im Weg,

nie wirklich aus den Füßen,

nie angenommen, in den Arm genommen

und gehen gelassen

immer in der Warteschlange

immer bei dem Rest, der nicht mehr hinein darf

oder heraus

selbst jetzt noch

hier

dort liegt Teu, das treue Seeleding,

im Eck steht u. kichert High-Tek,

das zugedröhnte Hüllending einer Sklavenexistenz

mit Prinzessinnenpotential

Ody,

mein Gegen-Ding,

Ody gibt nicht existenten Reportern Interviews

Ody wurde verrückt,

gegendingverrückt,

Ody war schon immer verrückt

und auf der Treppe kriecht Chill-Out,

das ewige-Morgen-Ding,

das Nie-zuende-Ding,

seit ich ihn erschlagen habe,

ich hab ihn doch erschlagen,

ich hab sie alle erschlagen,

seit diesem Tag hat er kein Auge mehr zugemacht

hat niemand mehr ein Auge zugemacht

sie starren mit nachtblinden Augen in die Nächte ihrer Leben

Durch die Wände höre ich die Fähnchen-im-Wind-Dinger, Enemene u. Aga, die Memme, heulen,

sie schreien Tag u. Nacht

u. haben doch den Unterschied zwischen Tag u. Nacht vergessen

sie spüren im Nacken den Wind,

in dem sie je u. je geknickt wurden wie lebensuntüchtige Bäume,

sie hielten es für Schläue,

weit gebracht haben sie es mit ihren Lebenstricks,

jetzt geben sie einander fließend Wasser

u. wischen einander unentwegt die Erbärmlichkeit aus den Augen.

Über allen

in ihrer gewitterhimmlichen Hängematte

wackelt Tinchen, das göttliche Ding,

ihre Anweisungen interessieren keinen mehr,

sie spricht in göttlicher Einsamkeit

in der Stille derjenigen,

die mit ihren Forderungen alles in die Stummheit schrie,

in die Geräuschlosigkeit klagte,

in die Mucksmäuschenstille kritisierte.

Keine Zähne haben sie mehr,

aber dennoch schnappen ihre Mäuler

in purer Tötungsabsicht

nach jeder klitzekleinen Regung,

nageln ihre stumpfen Augen

jedes Zucken als Trophäe

lebendig an die Wand.

Also zucke nicht.

Also rege dich nicht.

Also zeige sie nicht,

sage ich mir,

zeige nicht deine Gier,

sage ich mir,

die Lippen zittern nicht,

die Zunge aalt sich nicht mehr im Schrei

dieser Gier,

meine Glieder holen sich,

gestachelt von dieser Gier,

einander keinen mehr runter,

sie tanzen nicht mehr im Krieg der Leiber,

u. doch ist sie noch da,

die Gier,

meine Gier,

meine Gier nach Liebe ist so groß wie die der Ozeane nach jeglicher Süße. Und wie die Gier dieser Meere alle Wasser salzig werden lässt, so ließ auch mein gieriges Blut alles Leben bitter werden, weil ich es verschlingen wollte,

statt darin zu baden.

Jetzt badet sie in mir.

Wie ein kleines Kind,

das nie zu Welt kam,

meine toten Kinder,

die sterben durften

ehe sie leben mussten

so wie wir

wie wir hier

meine kleinen gierigen Todeskinder,

ich setze mich hin,

alt bin ich geworden,

aber dann streiche ich mit der Hand über meinen Bauch

u. spüre meine toten Kinder in mir,

meine Kindergier, meine todgierigen Babys

u. fühle die Lust in den Augen

in den Mundwinkeln

ihnen Fressen zu besorgen,

ihnen diese ganze Scheiße hier

zum Fraß vor zu werfen,

dass sie quiekten wie Ferkel, die sich in die Mutterbrust

verbissen haben, um sich zurück in ihren Leib hinein zu fressen,

zurück in die warme Dunkelheit ihres Unterleibs.

Ich war

stets in der Hoffnung

der erste Stein meines Lebensdominos

wäre endlich gefallen

u. es wäre eins nach dem anderen

der unendlichen Reihe umgefallen

jeder dieser Dominosoldatenposten

sei gefallen

als gewaltiges Schauspiel

u. ich hätte rufen schreien brüllen lachen können

ätschbätsch, du

ätschbätsch, ihr

ätschbätsch, ich

aber da ist nichts gefallen

so sehr ich auch alles umstieß

alles umhaute

sinnlos um mich schlug

High-Tek

das Huren-Ding

war sie es

ist sie es gewesen

war sie die Frau

der Unterleib, der mit Dunkelheit stillt

war sie es gewesen

bist du es

High-Tek

du von Schmeißfliegen umflogenes Kadaverding

du halbtotes Dingsbums

mein Liebesbumsdings

Gott

High-Tek

wo bringen sie dich nur hin

sie bringen dich fort von mir

High-Tek

lass sie es nicht merken,

aber ich folge dir

du Liebsdingsbums

du Liebes-dings

du liebes Ding

du Liebe

wie schienest du

wie schienest du nur so hell

viel zu hell

du stilltest nicht

du machtest hungrig

ich verhungerte an dir

die Verschlingungsgier wuchs u. wuchs

du sagtest,

ich bin doch da,

aber wo warst du,

als ich schrie

als es schrie in mir

als es nach der Dunkelheit schrie in mir

nach der Wärme

wo warst du

als du vor mir knietest u. sagtest

komm zu mir

u. nicht merktest,

dass ich gehen musste

dass ich es erledigen musste

dass ich raus musste

dass ich töten musste

dass meine toten Kinder in mir

dass die Frucht meines Leibes

Nahrung brauchte

Fresschen brauchte

wie ich dich als Fresschen gebraucht hätte

wie ich dich hätte durchwühlen sollen

meine Zähne in dich hätte schlagen sollen

wie der Schakal ins Aas

du Aasding

du gekauftes Ding

du Trophäe

du Menetekel einer vergangenen Lust

u. doch

alle sind sie hier

du Zeichen dafür

dass ich nichts richtig tat

du Mahnmal meines nicht gestillten Hungers

du Blume auf dem Misthaufen meines Lebens

rieche ich dich

rieche ich die Scheiße, die ich bin.

Trophäe,

warum kamst du nicht aus freien Stücken?

Du liebtest mich nicht.

Du schmeicheltest mir,

knietest vor mir

u. nahmst mich in dein verlogenes Maul,

nur um mich einzulullen,

nur um den Moment der Flucht zu finden,

du ekelst mich an

in deiner Falschheit,

du Ding

du Nichts

du Beweis meiner eigenen Dinghaftigkeit,

meiner eigenen Nichtigkeit.

In Gedanken ficktest du Chill-Out,

das Geldscheißerding,

oder Ody,

dieses Angeberding,

tagsüber lagst du bei ihnen

u. lecktest ihren Arsch sauber

ich weiß es

ich weiß es

nie werde ich dich alleine

lassen

ewig wirst du es mir büßen

ich werde dir hier die Hölle auf Erden besorgen

das ist mein Werk

mein Werk,

diese dicken Mauern,

hier habe ich sie alle in meiner Gewalt

hier habe ich euch alle in meiner Gewalt

ihr von Schmeißfliegen umflogenen Arschlöcher

jetzt könnt ihr euch die Löcher von den Drecksviechern lecken lassen

Scheißviecher

ich hasse sie

hasse sie alle

aber

dennoch

trotzdem

hier bin ich sicher

keine fremden Gespenster mehr

ich kenne euch jetzt

ich weiß jetzt, wer ihr seid

ich sehe euch genau

ganz genau.

Jetzt ist alles gut.

Ein Leben lang wartete ich

u. wartete

u. realisierte nicht

dass ich drängelte

auf der Stelle drängelte

mit niemandem als mir selbst

auf der Stelle

auf die Plätze, fertig, los

ich bin schon da

Jetzt bin ich da

ein zufriedener Alter

in seinem Elysium

im Werk seines Lebens.

Ein Leben lang strebte ich

nach enthemmter Lässigkeit,

jetzt weiß ich,

lässige Hemmung ist die Lösung,

ihr seht meine Regungen nicht,

aber ich habe euch im Blick,

ihr seid mein,

mein Werk,

hier,

ihr,

das trifft es jetzt doch,

jetzt habe ich euch doch,

ganz bei mir.

Ins Schwarze.

Hurra.

Belohnung.

Jetzt.

Hopp.

Bitte.

Kuss.

Wein.

Gesang.

Bitte.

Ich weine nicht.

Ich habe keine Angst.

Seht ihr,

ich flüchte nicht.

(erstarrt in Heldenpose)

Das trifft es doch. Endlich trifft es mich,

mich, Ai, Sohn des Telquel,

des Vaterdings,

des Dingsvaters.

Meine Orden waren seine Seele.

Wow.

(bricht zusammen)

Das trifft es nicht.

(kriecht von der Bühne)

(Pissgeräusch)

Licht aus.

Szene 2 - Gleichgültigkeit

Bühne wie zuvor, wieder mit blauem Licht ausgeleuchtet.

Ai:

Das Ganze ist doch vorbei?

Oder?

Der Krieg ist doch rum?

Schon lange rum.

Alle sind erschlagen.

Ich bin in der Fremde geblieben.

Aber der Krieg ist rum.

Keiner blieb übrig.

Wozu auch.

Diese Schweine.

Falschen Fünfziger.

Freunde.

Dass ich nicht lache.

Die und Freunde.

In den Rücken wollten sie mir fallen.

Stöcke schlugen sie mir in die Kniekehlen,

rannte ich zum Angriff.

Dann lachten sie.

Die Schweine.

Aber das Lachen sollte ihnen vergehen.

Alleine haben sie mich gelassen,

während ich sie aus der Scheiße holte;

während ich den Feinden den Garaus machte,

ihnen Löcher zwischen die Augen schoss,

ihnen die Kehle mit dem Messer aufschlitzte,

die klaffende Wunde am Hals sah aus wie eine hohnlachende Fresse,

ich stopfte sie mit dem Gewehrkolben,

damit sie mir nicht mehr ihr Blut in die Visage rotzen können,

Schweine.

So war das.

Nicht wahr.

So war das doch?

Das trifft es auf den Punkt.

Ich traf diesen Punkt zwischen ihren Augen.

Oder schoss,

diesen lachenden Ärschen,

die Schwänze weg,

schnitt ihnen die Eier ab u. steckte sie in ihre klaffenden,

hohnlachenden Fressen,

na,

konntet ihr jetzt noch lachen,

na,

konntet ihr jetzt noch spucken.

Ich hackte ihnen die Finger ab

u. stieß ihnen damit die Augen aus,

damit sie nicht mehr mit ihren Wichsfingern auf mich zeigten,

schaut den Kleinen,

ach wie drollig,

der will eine Gefahr sein,

der will ein Mann sein,

Sklavinnenficker,

nannten sie mich,

Vatersöhnchen nannten sie mich,

mich,

Vatersöhnchen,

Telquels Feigheit u. Arschlochmäßigkeit hatte ich längst durchschaut,

ja

ich weiß,

ich bin hier, um seine Meriten zu vermehren.

Na und,

dem trete ich auch noch die Eier in den Unterleib zurück,

dem stopfe ich seine Meriten auch noch in die hohnlachende Fresse.

Ich glaub nicht,

dass der je im Kampf war,

die feige Sau,

alles nur Geschwätz,

hat er je einen Leib von einer Bombe zerfetzt werden sehen?

Hä?

Wie die Fleischstücke durch die Gegend fliegen,

wie Knochsplitter sich in andere Körper bohren

wie Schrapnellsplitter?

Ist er je durch Berge von menschlichem Hackfleisch gewatet

u. verschoss darin sein Magazin,

weil das Fleisch noch zu leben schien,

weil es zuckte u. ruckte,

weil es nach einem griff,

weil es kleben blieb,

weil es einem in die Träume folgte.

So war das doch?

Das trifft es doch?

Du machst die Tür eines Hauses auf, schmeißt eine Granate hinein

und die Kinder fliegen

Juchheisassa

aus den Fensterlein heraus.

U. Tschüß.

Scheißkinder.

Was interessieren mich Kinder?

Was interessieren mich hier in meinem Zelt Kinder?

Der Krieg ist vorbei.

Alle habe ich sie platt gemacht.

Der Krieg ist gewonnen.

Ich habe gewonnen.

Ganz fett vom gesoffenen Blut bin ich geworden.

Rund u. schön

von den aufgeschlitzten Weibern, in die ich meinen Samen spritzte,

direkt unter die Haut,

ha,

direkt unter die Haut,

die sollen später nicht rufen dürfen,

sie hätten ein Kind von Ai,

die nicht,

die sollen sich nicht brüsten damit,

sie hätten Ai verführt,

ich schnitt ihnen Fotzen in die Brust

u. Fotzen in den Rücken

u. fickte sie in ihre Fotzen,

das ist Krieg,

so war das,

das trifft es.

Da gibt es keine Liebe.

Da fickt man Leichen, wohin man auch kommt.

Vom ersten Augenblick an,

noch kein Schuss ist gefallen,

noch kein Messer aus der Scheide gezogen,

schon fickt man Leichen.

Alle sind bereits vom ersten Augenblick an tot.

Zombies,

Vampire,

ich habe sie erlöst,

ich habe die Männer erlöst, wenn ich ihnen ihre eigenen Schwänze ins Herz steckte,

ich habe die Weiber erlöst,

wenn ich ihnen ihre Zombiefotzen fickte.

Ich vetrieb die Gespenster.

Schau an,

da liegen Eneme u. Aga, die Memme,

(nimmt zwei Stoffschweine)

na, ihr feigen Säue,

wie fühlt man sich, ist man endlich erlöst.

Sagt ein Wort.

Wenigstens jetzt.

Euer großer Ody existiert nicht mehr.

Stets umschwänzeltet ihr ihn wie Motten das Licht.

Drecksmotten,

Drecksviecher seid ihr,

schlägt man euch tot, bleibt nichts weiter übrig als ein Fettfleck an der Wand.

Wie, ich erzähle nur Lügen,

wie, ich sei unwürdig.

Was soll euer saublödes Lachen.

Das tut mir in den Ohren weh.

Jetzt wo der Scheißlärm endlich vorbei ist,

jetzt wo Ruhe in mein Zelt eingekehrt ist.

Ody.

Dieser Jammerlappen.

Der will doch nur zurück zu seiner stinklangweiligen Gattin,

u. Anekdoten erzählen.

Ich will noch was von der Welt sehen.

Wisst ihr was,

ihr Schweine,

ich verrate euch ein Geheimnis.

Das hier ist gar kein Zelt,

nein,

das ist ein Flugzeug,

ein großes Flugzeug,

wir sind im Bauch eines Flugzeuges,

groß u. dunkel,

hört ihr nicht das Dröhnen der Motoren,

es fliegt mich in die Welt,

ich werde tausend Dinge sehen,

ich werde Menschen treffen, die wirklich Menschen sind,

keine Zombies,

ich werde endlich leben dürfen,

ich werde Abenteuer erleben, von denen man sich tausend Jahre lang erzählen wird.

Ody,

schaut ihn euch an,

(nimmt ein Schwein)

ist er nicht niedlich,

die dumme Sau

(ohrfeigt ihn)

blödes Arsch

(nimmt die Zeitung u. peitscht ihn damit aus)

oooh,

rinnt ihm jetzt das Blut in die Fresse,

och,

tut ihm was weh,

armes Schweinchen,

(kickt zwei Schweine ins Eck der Bühne)

Raus hier,

Enemene u. Aga, die Memme, dass ich nicht lache.

Geschmeiß.

Viecher.

U. so was wollte ich mal als Freunde.

Waren sie nicht.

Sind sie nicht.

Nicht wahr.

Das trifft es, dass sich das nicht traf.

Besser noch, wir hätten uns nie getroffen.

U. du,

Ody-Schweinchen,

du fliegst nicht mit,

komm, geh heim zu Mama u. produzier noch ein paar Zombiekinder,

als hätte die Welt davon nicht genug,

sie werden sich doch nur gegenseitig abschlachten,

einander die Kehlen aufschlitzen,

sich einander ihre Drecksschwänze zu fressen geben.

Ich fliege weg.

In meinen Träumen sah ich einen Raum

u. von einer Seite, da kam Licht herein,

erst blendete es mich,

aber dann sah ich,

es ist eine Tür,

u. die Tür stand offen, u. von draußen drang der Duft des Lebens herein,

ich konnte ihn riechen,

ich konnte ihn schmecken.

Also war es nicht falsch gewesen,

also ging ich den richtigen Weg,

in den Träumen flüchtete ich nach oben,

zerfallene Hochhäuser, zerschossene Parkdecks,

geländerlose Brücken,

Ai ist immer oben,

ha!

Jetzt weiß ich, es war keine Flucht, ich bahnte einen Weg.

Hinein ins Leben. Das Leben ist oben,

nicht am Boden, nicht im Dreck.

Wie oft kam ich in meinen Träumen nicht von der Stelle,

rannte u. rannte u. kein cm ging’s vorwärts,

nur die Beine wurden schwer.

War das falsch?

Nein.

Jetzt weiß ich es,

hier in meinem Flugzeug mit der weißen Außenhaut,

der sauberen , makellosen Hülle,

das mich ins Leben bringen wird, so wie ich es in meinen Träumen roch, schmeckte; wie es auf meiner Haut brannte,

wie es mir den Atem vor Sehnsucht schneller werden ließ,

mit einer solchen Sehnsucht braucht man mehr Sauerstoff im Leib.

Ist es etwa falsch, noch oben zu streben?

Oder ist es falsch, das Unvermeidliche zu fliehen,

diese Leichenexistenz,

die sie alle führen,

diese Zombies,

Unlebendige,

Kadaver.

Das Unvermeidliche zu fliehen, heißt das nicht: Kampf.

U. ich wollte kämpfen,

jedem dieser Scheißkerle u. ihrer dazugehörigen Scheißfotzen

den Krieg erklären,

damit endlich das Leben zurückkäme.

Was interessierten mich diese Ärsche,

Chill-Out, dieser Angeber.

High-Tek, die falsche Sau.

Hätte ich verloren, hätte sie mir die Eier abgeschnitten.

Wäre ich einen Moment unachtsam gewesen, hätte sie mir Säure in die Kehle geschüttet,

hätte ich ein Kind mit ihr gezeugt, hätte mich dieses Kind erschlagen.

Sie wollte meine Mörder mit mir zeugen,

nein,

ich hab dich durchschaut.

Ich habe die Liebe zu dir abgetötet,

weil es verschwendete gewesen wäre,

ich habe keine Kinder mit dir gezeugt,

ich bin sicher,

oder hast du heimlich eins ausgetragen,

du Sau,

meinen Mörder,

du dumme Sau,

nein,

das kann nicht sein.

Du hieltest mich für unwürdig.

Ich erinnere mich nicht so genau,

hattest du einen fetten Bauch?

Dann war der bestimmt von dem Schwein Ody

oder der Sau Chill-Out.

Oder warst du so saublöd, dich von Aga, der Memme, vögeln zu lassen.

Nein, nein, nein.

Täusche dich nicht,

meine Kinder hätten dir die Kehle durchgeschnitten,

hätten mir die Trophäen nach Hause gebracht,

hätte mir die Schwänze der Idioten auf den Tisch gelegt,

hätten mir Bilder gezeigt, auf denen ich hätte sehen können,

was sie alles mit euch Weibern gemacht hätten,

zerschlitzt,

zertreten,

weggeworfen.

Sie hätten alle vor sich hinknien lassen

u. hätten ihnen lachend ins Genick geschossen

u. gerufen, räumt den Scheiß hier weg.

Warum fliegt das Scheißding nicht los?

Mein Schädel platzt gleich.

(Stille)

Ist es das?

Unwürdig sein, sich fortzuzeugen

selbst gedanklich

selbst im Leben

die stete Wiederholung

das Robotermäßige

wie diese Spielzeugroboter

die auf die Wand zusteuern

u. kurz vorher sich abwenden?

U. die Hinwendung zur

mater dolorosa

gemarterte maaaaatärrr dollarrossa

u. die Abwendung, weil sie nicht meinetwegen litt

sondern

allein ihretwegen

allein

dolles Mütterchen

als wäre da niemand gewesen

tolles Mamachen

als hätte sie ein Vakuum

in ihren Händen gehalten

Babydollorrossa

puff

geplatzt

nix da

ein Seifenbläschen aus ihrem Schaum vor dem Mund.

Oder ist’s wegen des Scheißkerls

Vater genannt

der lieber mehr

oder lieber gar keine Kinder gehabt hätte

der Patriarch

der Patri-Arsch

der Petriheilsarsch

War es das?

Diese Unwürdigkeit,

diese Befangenheit,

dieses Gefangensein.

Ein Roboter muss laufen,

funktionieren

weiter gehen

weg gehen

tschüss u. tschau

was soll ein Roboter für einen Sinn haben,

der das nicht tut?

(Stille)

Stets gelaufen.

Stets gesucht.

Sie kamen, reizten, aufreizend und schön,

u. doch,

sie wollten nicht mit,

sie wollten Bestätigung,

sie wollten ihren Hass an mir ausleben.

Alle tragen sie diesen Hass in sich.

Nicht mit mir.

Mit mir nicht.

Stets gelaufen.

Stets gesucht.

Stets die Hoffnung auf etwas.

Wie ein Roboter gelaufen,

wie ein Roboter gesucht,

in allen Leibern,

in allen Kehlen

dieses etwas gesucht,

von dem ich nicht einmal weiß,

was es ist.

Was ist es denn?

heee

ihr Schweine,

was ist es denn,

wofür habe ich denn gekämpft?

Ich hatte eine Schwäche für euch.

Ich war ein Held,

ja ein Held.

Der Held stirbt für andere,

niemals um seiner selbst willen,

ihr kämpftet nur für euch.

Der Held tötet niemals aus einer Schwäche für sich selbst,

sondern weil er eine Schwäche für andere hat.

Ich hatte eine Schwäche für euch.

Deshalb tötete ich euch.

Denn es hieß, in euch wäre dieses etwas,

dieses beschissene etwas,

von dem ich nicht weiß,

was es ist.

Wann fliegt diese Scheißmühle endlich los?

Zumindest ist der Krieg vorbei.

Er ist doch rum?

Oder.

Da keiner mehr übrig ist, muss er rum sein.

Das trifft es.

Das ist das etwas: dass es rum ist.

Oder?

Dass es endlich rum ist.

U. jetzt will ich meine Belohnung.

Jetzt will ich endlich wegfliegen.

Geborgen in dieser weißen Hülle,

in diesem makellosen Ding,

das so dröhnt wie das etwas,

von dem ich nicht weiß, was es war u. was es ist,

in meinem Herzen dröhnte.

Versteht ihr das?

Tek.
Ody.

Versteht ihr das?

Wo seid ihr denn?

Arschlöcher.

Ich geh jetzt mal ins Cockpit

u. lehr den Piloten Mores.

Dem werd ich die Eier ...

das werd ich dem

das ist doch ein Flugzeug

das ist doch das Nach-dem-Krieg

das ist doch das,

die Belohnung,

meine Belohnung

das trifft es doch

Scheißdreck

mir doch alles egal

was juckt mich das

(irrt auf der Bühne umher)

das trifft es doch alles nicht.

Licht aus.