Bühne wie zuvor, allerdings nun mit rotem Licht ausgeleuchtet.
Ai:
Hab’s nicht getan.
Ich habe es nicht getan.
Bin weg.
Ich bin jetzt weg.
Ich, Ai, des Telquel Sohn, bin fort, endlich fort.
Ichor wird durch meine Adern fließen
u. unter meiner Haut
hinter meiner Stirn
in den Äderchen meiner Augen
in den Nervenbahnen meines Hirns.
Alles Fleisch um die Knochen wird Ekstase sein.
Ich bin nicht mehr hier,
ich laufe über die Prärien der Pueblo-Indianer,
durch die Dschungel des Amazonas
u. die Straßen Valparaisos
liege an den Stränden Trinidad & Tobagos
sitze im Schatten der Bäume Alma Aters
u. höre die Erzählungen der Menschen auf Kamtschatka
die Wolga reise ich abwärts
u. den Jenissei hinauf
ich wandele unter Palmen
u. ficke unter dem Blütenfall des Meeres
hinten weit in der Türkei
wo jeder mich für seinesgleichen halten wird
ich betreibe Potlatch mit meiner Seele
u. Ausverkauf meines Geschlechtes
ich schneide mir Masken aus der Visage
tausende von Völkern in Afrika tanzen damit ihre Rituale
ich küsse die Ärsche der Frauen in Avignon
u. weine mit den Witwen in allen Kriegsgebieten der Welt
ich verkaufe die Schwänze der Söldner als Spielzeug an die Kinder
der von ihnen abgeschlachteten Männer u. Frauen
damit ihr Hass ewig jung u. frisch bleibe
u. dann bin ich wieder weg
bin weg
hab’s nicht getan
ich habe es nicht getan
der Berg ist zufrieden erst
wenn er vom Wind, vom Wasser und von den Fußtritten
zu feinstem Sand zermahlen wurde
der Wurm erst, wenn er sich durch diesen Sand
von einem Ende bis ans andere der Welt gefressen hat,
u. der Fisch in der See erst,
wenn er diesen Wurm fressen konnte
u. glücklich an der Angel hängt,
die ihr Besitzer seiner Frau über den Schädel schlagen wird,
damit er spürt,
dass er sie geliebt hat,
doch die Liebe wurde zu Stein
u. wurde zu einem Berg der Gefühllosigkeit,
der seine eigene Existenz verflucht.
Ich bin nicht hier.
Ich habe es nicht getan.
Seht,
ich sitze nicht hier,
ich sitze auf dem Boden vor den Statuen von Angkor Wat,
vor den roten Mauern u. vor den Bergen von Leichen,
den abgestochenen Touristen
u. den zerstückelten Geschichtslehrerinnen
vor den erhängten Abenteuertouristenführern
u. vor den Strömen des Blutes der Einsamen,
die sich hier die Adern aufgeschnitten haben
was sind schon ein paar Tote mehr in diesem Land
hier sitze ich u. habe den Laptop als eine Reliquie
auf meinen Knien u. hinter mir stehen Pol Pot und König Sihanouk
im Harlekingewand mit drei Beinen
clowneske siamesische Zwillinge
die hüpfen u. lachen u. ihre letzten Kugeln in die Leichen ballern
u. sie streichen mir übers Haar u. sie schauen mir über die Schulter
u. sie springen um mich herum
u. zielen genau auf meine Fresse u. lachen u. lachen
das Lachen derer, die, wie ich, nicht mehr von dieser Welt sind,
die aus einer Weite heraus, von einer Ferne her endlich
nach jemandem rufen
schreien
vor dessen Angesicht sie stets nur schweigen konnten.
Der König u. der Killer
der Killer u. der König
u. ich davor
ich Ai, der Schmerzenslaut,
ich Ai, der Roboter der Emotionen
ich Ai, des Telquel, des alten Wichsers Sohn
ich Ai, des Überall u. des Nie Ausgeburt,
ich sitze da, seht ihr,
ich sitze
u. König Sihanouk u. Pol Pot, der Schlächter, flüstern mir ins Ohr,
sie soufflieren mir
die lang ersehnten Worte
die zu lange aufgeschobene Mail
an dich
an dich mein Freund Ody
an dich meine Liebe Ody
mein Bruder
mein Herz
mein Spiegelbild
mein Mitbewohner im Spiegelkabinett
Sie insinuieren die blutigen Worte der Zuneigung
diesen Syphilisausfluss meiner Seele
meines Motors
meiner Schlaflosigkeit
meines Unentwegtseins
meiner Ausweglosigkeit
meiner Ungehörigkeit
Sie tanzen u. schwingen ihre Säbel u. hacken
Arme u. Beine von den Hängenden u. den Suizidalen
u. schreien u. singen
schreib
schreib endlich
schreib
ich habe dich geliebt
schreib
ich war elektrisiert
als du mit deinem Finger über meinen Rücken fuhrst
schreib
ich habe mich geborgen gefühlt
als du im Lager des Krieges im Nachtlager der Soldateska
neben mir lagst
u. wir uns in die Augen schauten u. sahen
keiner findet den Schlaf
schreib
ich habe deine nächtlichen Schreie als Koseworte verstanden
ich wusste zu gut
welche Schreie du in die Nacht flüstertest
dass sie aufflogen wie Krähen-
wie Fledermausschwärme
wie Eintagsfliegen, die ihre Liebesnester in meine Ohrmuschel bauten
schreib
schreib, Ai,
schreib deinen Namen,
schreib ihn als Zeichen eines Seufzers,
eines Liebesgestöhns
einer Zuneigung
eines Identitätsbeweises
eines Ich-wie-du
und Pol Pot u. König Sihanouk klopfen mir auf die Schulter
u. bohren mir die Spitzen ihrer Harlekinsschuhe in die Nieren
u. lecken mit ihren blaugefärbten Clownszungen über meine Brust
u. meine Finger zittern
u. ich tippe ihre Worte in die Tastatur
u. ich sehe dich vor mir
Freund Ody
sehe
wie du von mir gegangen bist
wie du dich abgewandt hast
wie ich dir nachrief
hau doch ab, du blöde Sau
du Drecksarsch
du feige Sau
du wirst des Chill-Outs Erbe nie sein, nie bekommen
mir
mirmirmir
als einzigem steht sein Erbe zu
steht es doppelt zu
da ich wie du bin
u. ich wie ich bin
u. ich bin wie er war
ich, Ai, des alten Wichser Sohn
ich, Ai, der ich den Huren die Titten vom Leib biss,
mir gehört das Erbe
hörst du, Ody,
hörst du Bruder,
Liebster,
mir steht es zu,
damit ich stolz bin u. schön
u. du mich endlich lieben wirst,
du wirst mich lieben,
Ody,
du musst mich lieben
du musst wieder das Lager mit mir teilen,
in meine Augen schauen u. deine Krähen- u. Fledermausschwärme
ausschicken, dass sie mir die Liebe aus dem Herzen hacken
u. ihre Schnäbel darin versenken
u. die Nacht mit den blutverschmierten Schnäbel anschreien
meinen Namen schreien
Ai
wie König Sihanouk jetzt meinen Namen schreit,
Ai,
wie Pol Pot jetzt meinen Namen schreit,
Ai
wie ich jetzt meinen Namen schreie
Ai
Seht ihr
Hört ihr
Ich sehe nichts.
Ich höre nichts.
Es verblasst.
Es hat es nicht getroffen.
Ich sitze hier.
Hier.
Nein.
Ich bin weg.
Hört ihr.
Seht ihr.
Ich bin weg.
Da.
Das Rauschen.
Der Regen fällt von unten nach oben
u. wieder von meiner Stirn, meiner Nasenspitze nach unten
mein Hemd klebt,
Blätter schlagen mir ins Gesicht
u. machen dabei dieses Geräusch
wie wenn Heuschrecken lachen
Hört ihr
Seht ihr
ich bin in Afrika
Da fällt der Sambesi in die Tiefe
ja
ich laufe entlang des Sambesis u. dort donnern die Viktoriafälle
in die Tiefe
u. da zwischen dem Grün liegt ein Fels
nass u. schön wie ein Venushügel
u. darauf sitzt einer,
der spricht mit sich
der schreit u. betet u. doziert
der steht u. hält den Arm gegen den Himmel
der steht u. hält beide Arme ausgebreitet gegen den Himmel
der steht u. hält die Arme verschränkt vor die Brust
u. ich komme u. setze mich dazu
setze mich im Schneidersitz mitten auf diesen Venushügelfelsen
das Tosen in den Ohren
das Hemd klebt an der Brust
u. der Mann
seht ihr
hört ihr
sagt
er sei Imitator von Beruf
er imitiere Hitler u. imitiere den Papst u. imitiere ein Wesen
namens Creativ Destruction, kurz CD genannt
u. er kenne mich
er habe mich gesehen
er habe viel Zeit
er sei arbeitslos
er kenne mich
er habe mich des Nachts im Hotel gehört
mein Atmen hätte seine Übungen zum Verstummen gebracht
u. doch habe er meinen Atem nicht fassen können
hätte er mich nicht imitieren können
er habe es versucht
aber er habe meine Stimme nicht finden können
es wäre nur ein Lautloses
ein Unhörbares rausgekommen
er habe die Worte sehen können
aber nicht hören
er habe die Worte spüren können
aber nicht aussprechen
er sei in jede Pore meines Atmens gedrungen
des Nachts
ich habe ihn nicht schlafen lassen
u. er habe mir den Hitler eingehaucht
aber es habe nichts genützt
ich hätte die Worte nicht schreien können
u. er habe mir den Papst eingeblasen
aber ich hätte die Worte nicht beten können
u. er habe mir CD ins Angesicht gepustet
aber es wäre nichts passiert
so sitzen wir jetzt beieinander
auf dem Felsen
tief unten in Afrika
u. ich öffne den Mund u. meine Lippen formen ihren Namen
aber er kann die Lippen nicht lesen
u. ich brülle ihren Namen
aber das Tosen der Wasser verschluckt ihn, bevor er sein Ohr erreicht u. er mich imitieren könnte u. an meiner statt ihren Namen sprechen könnte
u. ich ihn aus seinem Mund hören würde u. wüsste, ich habe ihn gesprochen
ich habe ihn ausgesprochen
sie ist es
sie ist diejenige, die ich will
die ich wollte
u. ich schlage mit meinen Fäusten ihren Namen auf seinen Schädel ein
u. schlage seinen Schädel auf den Felsen
im Rhythmus ihres Namens
aber er gibt mir kein Bild
er gibt mir kein Double
er lässt mich nicht der Vierte seiner Kunst sein
mich
Ai
imitiert er nicht
so sehr ich auch seinen Schädel auf den Felsen schlage
so sehr sein Hirn über den Fels spritzt u. der Regen,
der von unten kommt,
darin kleine Pfützen bildet
mit roten Schlieren drin
stumm bleibt er
schreit noch nicht einmal den Schmerzenlaut
schreit nicht
Ai
schreit nicht nach mir
hört ihr es nicht
seht ihr es nicht
lasst es nicht verblassen
lasst nicht zu
dass ich alleine auf diesem Felsen sitze
lasst es nicht zu
dass das kein Felsen ist, auf dem ich sitze
lasst es nicht zu
dass das kein Regen ist, der mir im Gesicht steht
lasst es nicht zu
dass es Schweiß ist
Angstschweiß
dass das alles nicht wahr sein könnte
dass das alles nicht treffen könnte
es wieder nicht treffen könnte
dass ich nicht ihren Namen in mir trüge
den Namen dieser beschissenen Sklavin
dieser Königstochter,
dieser hochnäsigen Sau,
die mich mit ihrer Liebe nervt
die mich kotzen lässt
die mich mit ihren verliebten Augen kastriert
mir die Eier nimmt
den Schwanz
das Herz
mich
meinen Namen
kein Ai
mehr
nein
kein Ai mehr
ich bin nicht da
ich bin nicht hier
bin weg
ich bin weg
hab’s nicht getan
ich habe es nicht getan
da
seht ihr
seht ihr mich
den alten Ai
er sitzt in einem bretonischen Strandcafé
die Wellen schlagen an die Steilküste
mit mir am Tisch sitzen Mungo Park
jawohl
und Livingston
jawohl
auch sie haben die Schnauze voll von Afrika
auch sie kamen
wie ich
hierher
wir sind Brüder im Geiste
wir sind Welterfahrene
nicht wie Ody die Sau
nicht wie die Sklavenhure
u. sie legen mir ihre Schrumpfkopfsammlung vor
u. ich schaue mir die Köpfe an
u. sie schauen alle aus wie ich
jawohl
diese beiden haben immer nur mich gesucht
u. sie haben mich in den Dschungeln u. den Wüsten
in den Ruinen u. auf den Schlachtfeldern
in den Ritualen u. in den Dorfhütten
gefunden
jawohl
u. sie haben mir jedes Mal den Kopf abgeschnitten
u. sie haben meinen Kopf ausgehöhlt
u. sie haben die Haut meines Kopfes über das Model gezogen
u. sie haben meinem Kopf wieder Form gegeben
sie haben meinen Kopf in Form gebracht
dass ich sagen muss
ich gleiche ihm u. nicht er mir
jawohl
seht ihr
da liege ich auf dem Tisch
u. die beiden sind stolz auf mich
u. sie lachen u. sagen
ich könne stolz auf mich sein
überall sei ich gewesen
überall habe ich meinen Kopf hingehalten
überall habe ich meinen Kopf in göttlicher Ekstase verloren
ich könne mich lieben
ich solle mich lieben
sie liebten mich
mich
Ai
den Kopflosen
Ai
den mit den vielen Köpfen
Ai
den, der seinen Köpfen gleiche
Ai
den mit den vielen Beweisen seiner Identität,
das sagen sie u. essen dabei einen Crêpe
und trinken Cidre
u. singen ein bretonisches Lied
hört ihr es
ich kenne es
ich kann es auch singen
ich werde es für euch singen
weg mit der Kulisse
weg mit den beiden
weg mit dem Meer
ich werde es für euch singen
jetzt
(nimmt ein Schwein)
ich werde es für euch singen
mein Lied
mein
AiAiAi
(Stille)
Habt ihr es gehört.
Diesmal hat es das aber getroffen.
Diesmal war es das aber.
Sag ja.
Sag verdammt noch mal ja.
Ich höre.
Hopp.
Ich will jetzt was hören.
Sag es
du dumme Sau,
sag,
dass du mich lieb hast,
sorry
lieb gehabt hast
sag es,
Schweinebacke,
sag es schon
(Stille)
Langsamer Einzug des Lichtes.
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