Samstag, 29. Mai 2010

Szene 6 - Tod

Bühne wie zuvor. In Blau.

Ai:

Dass wir geboren werden.

Dass wir noch nicht geboren sind.

Dass wir schon tot sind.

Wir alle.

Tek.

Enemene.

Chill-Out

usw

selbst Tinchen

Dass wir alle Dinge sind.

Ich, das Roboter-Ding.

Tek, das Liebewegwerf-Ding.

Tinchen, das göttliche Ding

usw.

Dass es uns gruselt.

Dass wir spuken. Durch die Häuser spuken.

Dass wir Gespenster sind.

Dass wir uns vor uns selbst erschrecken.

Dass wir erschrockene Gespenster sind.

Dass wir uns folglich selbst verstecken.

In Schränken.

In Zimmern.

In Kellern.

In den Winkel unserer Gedanken.

In der Interpunktion unserer Sätze.

In den Zäsuren unserer Wörter.

U. wir stolpern über uns. U. erschrecken uns erneut.

Haben Angst.

U. haben doch keine Angst.

Weil wir nicht wissen, was das ist.

Angst haben.

Ein Gefühl haben.

Wir wissen es nicht.

Tek liebt mich nicht. Wie sollte sie das?

Wie sollte sie das können?

Auch sie ist nur ein Gespenst.

Oder ein Engel.

Das ist egal. Ist gleichgültig. Ist das Gleiche.

Wir sind nicht geboren worden.

Wir leben nicht.

Wir sind höchstens Lebensschweine. Wir grunzen uns durch ein Leben, das nicht das unsere ist.

Dem wir nachhuschen. Wie Gespenster nachhuschen. Wir sind diese nachhuschenden Gespenster u. spuken im Leben umher, das uns fremd bleibt.

Deshalb werden wir in den Krieg ziehen müssen.

Deshalb werden wir uns alle töten müssen. Töten lassen müssen.

Uns zieht das Töten an. Uns zieht der Tod an. Es ist unser ursprünglicher Zustand. Es ist die Erlösung. Er ist die Erlösung. Wir werden nicht mehr spuken müssen. Wir werden wieder Ruhe finden. Wir werden nichts mehr fühlen müssen. Wir werden uns nicht mehr unaufhörlich töten müssen. Ich werde euch nicht mehr unaufhörlich töten müssen. Ihr werdet nicht mehr unaufhörlich darauf warten, dass ich mich töte.

Sicherlich.

Ihr werdet anderes sagen.

Aber ich werde euch nicht belügen. Aber ihr werdet anderes verstehen wollen. Weil ich euch daran erinnere, wer ihr seid u. dass ihr im Grunde wie ich seid. Dass ihr ich seid. Dass ihr den gleichen Weg gehen müsstet. Dass ihr auch nur solche Husch-Dinger seid, solche Ich-war’s-nicht-bin’s-nicht-werde-es-nicht-sein-Dinger. Euer Fleisch ist eine Maske. Eine geblümte Maske. Euer Überlebenwollen, euere Verteidigung sind blümerantes Getue. Ihr wollt so wenig leben wie ich. Auch ihr habt die Leiber geschlachtet, um ein Fleisch auf eure Knochen zu bekommen u. habt doch nichts gespürt. Ihr habt wie ich die Weiber u. die Kerle vergewaltigt, sie in den Arsch gefickt u. in die Fresse, habt sie eure Scheiße fressen lassen u. habt sie mit euren Messern aufgeschlitzt u. in ihnen nachgeschaut, ob da ein Gefühl sei, das auch ihr haben könntet. Aber ihr habt nichts gespürt u. ihr habt nichts gefühlt außer Einsamkeit u. Schmerz. Zumindest habt ihr es für Einsamkeit u. Schmerz gehalten. Aber ich sage euch, selbst das kennen wir nicht. Weil wir noch nicht geboren sind. Weil wir Zombies sind. Weil wir Vampire sind. Untote. Unlebendige. Zurückgekehrte von wo auch immer. Hingekehrte u. Hingesunkene. Verlorene u. Immer-schon-Gefundene u. Als-Null-u.-nichtig-Erklärte.

Wie ich seid ihr voller Angst durchs Haus gelaufen, den Kopf stets nach hinten wendend, ob da einer sei, ob euch einer folge. Und auch ihr habt ihn im Nacken gespürt. Auch ihr habt die Schränke u. die Türen aufgerissen, ob da einer sei, der euch in die Augen starre, der euch daran erinnere, dass ihr gar nicht wirklich lebt, dass er nur da ist, euch in euer wirkliches Heim zu holen, euch heimzuholen. Ja, uns heimzuholen ins Haus der Toten, der Untoten u. Unlebendigen.

Ja, wir werden heimgeholt werden.

Wir werden in den Tod hineingeboren werden, weil wir ins Leben hinein gestorben sind.

Wir alle.

Ihr auch.

Wir sind ins Leben hinein gestorben.

Wie sind arme Schweine. Arme Säue.

Leblose Dinger.

(Schüttelt ein Plüschschwein)

Seht ihr, das sind wir.

(Wirft eins an die Wand)

Seht ihr, das macht das Leben mit uns. Das macht es permanent mit uns. Es wirft uns gegen die Wand. Es fährt uns mit vollem Karacho gegen die Wand.

Weil wir es wollen.

Weil wir uns danach sehnen.

Endlich ein Erlebnis. Sagen wir.

Rufen wir.

Schreien wir.

Endlich eine Erfahrung. Und lachen uns über den Wortwitz kaputt. U. schlagen nebenbei ein paar Schädel ein. Schneiden ein paar Schwänze ab u. stecken sie ein paar Weibern in die Fresse, damit sie daran ersticken mögen. Aber bittschön ganz langsam.

Dann haben wir dieses Gefühl im Bauch, dieses Jahrmarktsgefühl, wie wenn es bei der Achterbahn nach unten geht u. wir hui rufen u. schreien u. glauben, dass wir seien. Dabei sind wir nicht. Wie sollten wir sein. Sollten wir etwa auf dem Jahrmarkt sein, zwischen den Buden, dem Fressen u. Saufen, dem Ficken hinterm Toilettenhäuschen, dem Kotzen neben dem Zuckerwattestand. Sollten wir das sein.

Solltet ihr das sein? Da sein?

Ihr?

Ihr vielleicht. Ihr seid ja noch ärmere Schweine. Habt es nötig, euch Tote anzusehen, die Leben spielen. Wohingegen wir endlich leben wollen, um sterben zu können. Um endlich wieder tot sein zu können. Was wäre das für ein Leben, das endlich eins wäre, das endet. In dem sich nicht alles wiederholt u. neu beginnt u. der ganze Scheiß. Wo endlich die Mauer durchbrochen, die Grenze überschritten, die Blase durchstochen wäre. Was wäre das für ein Leben, wo endlich alles strömen u. fließen könnte wie nach einem Dammbruch.

Wäre das nicht schön?

Könnten Tek u. ich dann endlich einander lieben?

Könnten Ody u. ich dann endlich nicht mehr töten müssen?

Könnten Tinchen u. ich dann endlich einander unsere Gebete erhören?

Wäre dem nicht so?

Wäre dann ein Schrank ein Schrank?

Eine Tür eine Tür?
Ein Bett ein Bett?

Ein Keller ein Keller?

Wäre dann die Angst endlich gegangen?

Das, was wir für Angst halten.

Hielten.

Wäre dann das unendliche Betäuben-müssen zu Ende?

Sagt!

Könnte man dann endlich sein, ohne sich permanent stimulieren u. zugleich betäuben zu müssen?

Sich Schmerzen zufügen zu müssen, um so etwas wie etwas Schönes fühlen zu können. Müsste man das dann nicht mehr? Müssten wir das dann nicht mehr.

Seht diese Schweine. Wie sie betteln u. beten, dass ich sie schlage. Dass ich sie peitsche. Dass ich ihnen ihre fetten Bäuche aufschneide. Damit endlich etwas aus ihnen quelle. Damit das Leben aus ihnen quelle, in den Tod hinein. Damit der Tod aus ihnen quelle, ins Leben hinein. Sie sind doch immer schon zerrissen. Sie waren doch immer schon zerrissen. So wie ich es bin. Wie ich es immer schon war. Ich helfe ihnen, sich selbst zu finden. Wie ich mich selbst finden werde. Ich werde ihnen mein Messer in den Arsch stechen u. sie dann aufschlitzen u. sie werden vor Lust schreien u. sie werden mich anbetteln u. mehr mehr rufen schreien glucksen jammern, ja, das werden sie tun, u. ich werde endlich ihre Blicke ertragen u. aus allen Schränken u. hinter allen Türen werden die Gespenster eine Fliege machen u. sie werden sich am Himmel zu einem Chor versammeln u. mir ein Lied singen, ein himmlisches Lied, das mir die Schauder über die Haut treibt u. ich werde endlich etwas fühlen u. ich werde endlich wissen, wie es in euch aussieht, dass es in euch wie in mir aussieht, dass wir doch immer schon zerrissen sind, innerlich u. äußerlich, dass wir immer schon gefickt u. vergewaltigt sind, dass immer schon dieses beschissene Messer in uns steckte u. steckt, dass es immer schon umgedreht wird. In uns umgedreht wird. Dass wir es uns einander umdrehen. Immerzu umdrehen, langsam u. beharrlich, mit bittendem u. bettelndem Blick, damit wir etwas spüren. Wenigstens einen Hauch. Etwas von dem was wir sind hinter unserem Lächeln, das wir lächeln, wenn wir einander die Messer im Leib umdrehen. Etwas von dem, was wir sind, wenn wir unsere Schwänze in die Wunde stecken u. unseren Rotz in die Wunden spritzen, um den Tod zu begatten, dass er Nachwuchs bekomme, der uns hole, endlich heimhole. Wie wir mit unseren Fotzen alle Feinde verschlingen, wir uns von unseren Feinden in alle Löcher ficken lassen, damit sie darin verschwinden würden. Uns einen Tod endlich geben würden u. eine Ruh’. Wir bluten aus unseren Löchern u. sie halten es für Lust. Wir haben waffenharte Schwänze u. sie halten es für Lust. Wir haben uns den Arsch aufgerissen u. strecken ihn ihnen hin u. sie halten es für Lust. Dabei ist es die Gier, dem Ganzen endlich ein Ende zu machen. Endlich zum Schluss zu kommen. Endlich wieder wir selbst sein zu dürfen. Das sein zu dürfen, was wir immer waren. Was wir aber längst vergessen haben. Vielleicht könntet ihr uns zur Abwechslung daran erinnern. Seht ihr nicht, was für arme Schweine wir sind. Eine Horde Schweine. Eine Herde Schweine. Todessüchtig. Lebenshungrig. Ausgemergelt u. gemästet zugleich. Gestopft u. leer. Hohl u. voll bescheuert. Im Wahn u. glasklar im Kopf. Ohne Vergangenheit u. immer schon da.

Scheiße.

Das sind wir u. können nicht anders u. wissen doch nicht, was wir können u. probieren alles aus.

Ich habe alles ausprobiert, jede Tür u. jeden Schrank, jeden Keller u. jeden Speicher. In jedes Zelt bin ich gekrochen u. habe nach Liebe gebettelt, habe mit meinem Messer u. mit meinem Speer nach Liebe gebettelt. Bin ins Schlafzimmer meiner Eltern gekrochen u. habe nach Liebe gebettelt, als ich ihnen das Messer in die Eingeweide steckte, ihnen meinen Rotz in die Fresse spritzte u. ihnen meine Scheiße als Lebensgeschenk in die Augen rieb, damit sie sehen können, was sie gezeugt haben. In ihrer ewigen Langeweile gezeugt haben. In ihrem Fluchvermehrungszwang. In ihrem dummen Zauberglauben, dadurch etwas verändern zu können. Als hätten sie keinen Gleichen gezeugt. Keinen Gleichen in die Welt gevögelt. Als hätten sie nicht einfach ein Gespenst in die Welt gefurzt, das nie spüren durfte, wie sich etwas anfühlt.

Ach, als hätten sie alle nicht nur mit ihrem ewigen Selbstmitleid angefüllt. Deshalb rennen wir von Krieg zu Krieg u. wollen uns aufschlitzen lassen, damit endlich dieses beschissene Selbstmitleid, auch Leben genannt, aus uns heraus fahre. Wir sind besessen von diesem beschissenen Selbstmitleid, das nicht aus uns heraus fahren will. Tinchen hat es mir geflüstert. High-Tek flüstert es mir in ihrem Betteln nach multiplen Orgasmen. Mein eigenes Sein beichtete es mir bei jedem Wichsen. U. dieses Sein hatte so unendlich viel zu beichten.

(Lacht)

So unendlich oft.

U. ihr Sein hatte ebenfalls so unendlich viel zu beichten.

U. euer Sein ebenfalls. Ihr unendlichen Wichser.

Jeder Gedanke nichts als ein Wichsversuch.

Leben nichts weiter als ein Sich-einen-runter-holen.

Einen was? Was schon? Ein Sich-den-Tod-runter-holen.

(Stille.)

Ich lüge euch nichts vor.

Seht mein Lächeln der Wahrhaftigkeit.

Seht mein Wahrheitsgewand.

Seht meinen Ehrlichkeitsschlund.

(Streckt dem Publikum die Zunge heraus)

Ihr habt mich in die Welt gevögelt.

Ihr habt mich zum Gespenst gemacht.

U. jetzt wollt ihr euer Werk betrachten u. euch auf die Schulter klopfen u. euch Orden an die Brust heften.

Aber ich habe diese Orden verdient.

U. ich habe eure Waffen verdient.

U. euren Ruhm u. die Ehre u. das Glück, das bisschen Glück,

endlich mal wer zu sein. Endlich mal was zu sein.

Nicht immer nur eine Schweinsblase voller Selbstmitleid zu sein.

Ein Jammerlappen im Kriegerkostüm. Ein Liebhaber voller Ekelflecken.

U. ich habe geliebt. Sagt nicht, ich hätte nicht geliebt.

Tek weiß es.

Das Wegwerf-Ding. Im Wegwerfen habe ich sie geliebt.

Tinchen weiß es.

Das göttliche Ding. Im Vergöttern habe ich sie geliebt u. ihre Worte erfüllt. Habe den Tod ins Leben gebracht. Weil wir ihn uns doch wünschen, weil ihr ihn doch alle so heiß u. innig begehrt.

Ich war das Opfer u. der Zeremonienmeister. Ich werde geboren werden. Ich werde es tun, weil ich es immer schon getan habe. Als ich die Fotze meiner Mutter aufriss u. mich in die Welt zwängte, habe ich es schon getan. Ich selbst schlug mit meinem Messer die Nabelschnur entzwei u. wünschte mir dabei, es sei das Fickding meines Alten. Ich selbst schrie sie schon mit meinem ersten Atemzug an u. schrie ihnen meinen Hass u. meine Liebe in die Visage. Aber sie hörten mich nicht, diese dummen Schweine, tauben Säue. Ich schrie u. schrie u. schrie ein beschissenes totes Leben lang.

Schrie vom ersten Atemzug an meinen Namen.

Schrie: Ai.

Schrie: Ai.

Schreie: Ai.

U. alle schrieen meinen Namen.

Schrieen: Ai.

Nur sie nicht.

U. alle schreien meinen Namen.

Schreien: Ai.

Nur sie nicht.

Sie blieben stumm. Bleiben stumm. Schickten mich in diesen beschissenen Krieg. Was habe ich mit dieser beschissenen Fotze zu tun, deretwegen das Gemetzel hier standfindet.

Nichts. Auch nur so eine dumme Sau. So ein armes Schwein.

Was habe ich mit den vielen Soldaten zu tun, die meinen Namen schrieen. Die schrieen: Ai.

Was habe ich mit den vielen Frauen zu tun, die meinen Namen schrieen:

Die schrieen: Ai.

Was habe ich mit euch zu tun, die ihr meinen Namen schreit.

Ihr schreit: Ai.

Ich höre es doch. Es hallt von den Wänden wieder. Es schallt aus den Bodenritzen herauf.

Nur ich. Ich kann meinen Namen nicht mehr schreien.

Schreie nicht mehr: Ai.

Sage nicht mehr: Ai.

Flüstere nicht mehr: Ich, Ai, ich bin’s. Ich bin’s, Ai.

Sage es dir nicht mehr.

Sage es euch nicht mehr.

Ich werde verstummen.

Bin Kind. U. Kinder sprechen nicht.

Werde jetzt verstummen.

Ich Kind.

Mit einem letzten kindlichen Prost.

Einem kindischen Prost.

Prost.

(Licht aus)

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